Die Vermessung

Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Reinbek bei Hamburg (Rowohlt), 2005

Der berühmte Alexander v. Humboldt lädt den inzwischen auch berühmten Carl Friedrich Gauß, den „Fürsten der Mathematik“, nach Berlin ein.

Kehlmann macht daraus einen Roman, eine Art Doppelbiografie:

  • Dort der finanziell gut ausgestattete Baron auf seinen Entdeckungsreisen mit Bonplan in Südamerika
  • Hier der stets um seinen Lebensunterhalt kämpfende und sich um feste Anstellung bemühende Carl Gauß mit seinen „Entdeckungsreisen“ in die Welt Mathematik und in den Kosmos der Planeten und Sterne, eigentlich immer von zu Hause aus in der deutschen Kleinstaaterei, politischen Restauration, Verfolgung der „schwarz-weiß-roten“ Studenten, Burschenschafter, „Turnvater“ Jahn.

Beide, v. Humboldt und Gauß, grantig, unfreundlich, oft skurril, egoman, irgendwie „kindisch“ im Sinne von unbegrenzter und rücksichtsloser Neugier, voller Entdeckungsdrang, Selbstbewusstsein.im Umgang mit ihrer unmittelbaren Umgebung scheinen beide emotional etwas „verkrüppelt“.

Viele komische Szenen:

  • Gauß’ Aufbruch zur Reise nach Berlin ganz am Anfang des Romans,
  • sein Besuch in Königsberg beim senilen Kant,
  • Humboldts späte Reise als Staatsgast durchs zaristische Russland.

Reich-Ranicki hebt die „fabelhaften Dialoge“ hervor. Das „Fabelhafte“ dabei: Es sind eigentlich keine Dialoge. Die Leute reden meist aneinander vorbei.

Insgesamt: Lesevergnügen trotz gelegentlicher Längen z.B. bei wiederholt detaillierten Be-schreibungen der Strapazen im tropischen Regenwald.

Bei aller Komik auch bedrückend:

  • Das Verhältnis der beiden Humboldt-Brüder zueinander
  • Gauß’ Umgang mit seinem Sohn Eugen.

Ich erinnere mich an einen Gedanken aus dem „Kosmos“ Alexander v. Humboldts, sinngemäß: Die Sterne folgen den gleichen Gesetzen wie der Milchtropfen im Tee. So haben Gauß zu Hause und Alexander v. Humboldt in fernen Landen das Gleiche gemacht: Die Vermessung der Welt.